Abenteuerliche Offroad-Strasse nach Jermuk

Veröffentlicht in: 2025, Reise | 2

Von Montag, 23. Juni bis Mittwoch, 25. Juni 2025

Noch einmal nehme ich am Morgen ein Bad, wieder beobachtet von ein paar Fröschen, sonst ist niemand hier. Weiter geht es entlang der Hauptstrasse H51. In Vayk kaufen wir ein und essen in einem ziemlich modernen Food Court. Die Gegend hier ist einzigartig. Grünes Tal mit trockenen, zerfurchten Bergen. Dann biegen wir Richtung Jermuk auf die Hauptstrasse H43 ein. Bald entpuppt sich die «Hauptstrasse» als holpriger, enger Feldweg. Nach den ersten paar Kilometern denken wir ans Umkehren, doch irgendwie lässt das der Kopf nicht zu. Wir wollen zum Kloster Gndevank. Ich denke, dass die Strasse irgendwann doch noch besser wird. Doch das entpuppt sich als reines Wunschdenken. Wir kurven im zweiten Gang und mit 9 km/h den Berg hoch. Es holpert, ist ab und zu steil. Doch unser Magirus Iveco schafft das ohne zu murren, nur Pias Atmung kommt ab und zu ins Stocken. Je höher wir kommen, je enger wirds, je tiefer hängen auch die Äste.

Nach einer Stunde erreichen wir die Abzweigung zum Kloster, das im 10. Jahrhundert erbaut worden ist. Die letzten 600 Meter gehen wir zu Fuss. Niemand ist da oben, es ist herrlich ruhig. Auch mit meiner Annahme, dass die Strasse von Jermuk zum Kloster führend nun besser wird (da es näher ist), ist total falsch. Was ich nicht für möglich gehalten habe, es kommt noch schlimmer. Offroad at its best! Viel Vorsicht ist angesagt, die Hauptstrasse ist nun ein Wanderweg. Aber auch dies schaffen wir schön langsam. Ich denke, der Pamir Highway, den viele Overlander aktuell bereisen, kann gar nicht schlimmer sein. Sollten wir eines Tages auch dorthin fahren, ich bin trainiert… 😂😁

Genug ist genug
Oben beim Stausee angekommen, ist die direkte Strasse nach Jermuk über den Damm gesperrt. Also folgen nochmals ein paar Kilometer entlang des Sees. Die Jermuk Hot Springs sind laut Google Maps ganz nahe, also zweigen wir wieder auf einen Feldweg ab. Dass Google Maps in dieser Region nicht wirklich zuverlässig ist, beweisen wir mit dieser Aktion. Ich bin genug Feldweg gefahren für heute, wir kehren um und fahren durch Jermuk, das nicht wirklich attraktiv ist. So fahren wir zur Kapelle am Stausee und finden einen herrlichen Stellplatz.

Schlecht geplant
Es geht nicht lange, da kommen zwei Taxis und spucken Jugendliche aus. Wie wir erfahren, haben sie heute in der Schule die letzten Test gemacht und spontan entschlossen, im Partyhaus nebenan ein BBQ zu veranstalten. Soweit so gut, doch die guten Jungs haben vergessen, dass es für ein Feuer auch noch Brennholz und Anzündmaterial braucht. Sie fragen uns mehrfach wegen Materials an. Ich gebe ihnen eine Axt, eine Säge und Anzündwürfel. Nach einer Stunde raucht es gewaltig aus dem Kamin. Als wir zu Bett gehen wollen, bringen uns die Kinder gegrilltes Fleisch sowie Merci-Schoggi und Schokoladekuchen als Dessert als Dankeschön für unsere Hilfe.

Achtung Polizei!
Heute Dienstag ist eine Wanderung angesagt. Wir wollen zu den Hot Springs laufen. So fahren wir wieder zurück nach Jermuk und zum Hirsch-Denkmal oberhalb der Stadt. Unterwegs werden wir von einer Polizeistreife angehalten. Wir hätten ein Rotsignal überfahren, was wir beide vehement verneinen. Wir haben vor dem Rotlicht angehalten. Nach unserem Protest schreibt uns der Polizist auf Google: «Diesmal verzeihen wir euch, aber macht das bitte nie mehr. Nächstes Mal gibt es eine Busse.» Wir sind ziemlich irritiert, denn wir sind sicher, am richtigen Ort angehalten zu haben.

Tolle Wanderung
Wir parkieren in der Nähe des Denkmals und werden genau beobachtet. Gleich neben unserem Wanderparkplatz stehen drei armenische Armeecamions im Feld. Wir haben gut vier Kilometer vor uns, um zu den Quellen zu gelangen. So laufen wir an den Soldaten vorbei und werden freundlich gegrüsst. Einer spricht sogar englisch. Dann gehts über einen Weg durch bunte Blumenwiesen. Ein Glück, dass es hier auf 2200 Metern Höhe keine Viehwirtschaft gibt. So herrscht hier eine unglaubliche Blumenvielfalt. Je näher wir zu den Quellen kommen, desto schlechter wird der Weg. Immer wieder müssen wir Bäche ohne Brücken überqueren. Dann sind wir da. Die erste Sprudelquelle ist kalt. Offenbar kommt hier Wasser mit viel Eisengehalt an die Oberfläche, alles ist eisenrot. Wir laufen zur nächsten Quelle, hier treffen wir kurz auf ein russisches Paar. Das Wasser ist angenehm warm, aber weit entfernt von «Hot Springs». Ich setze mich ins Bad und lasse mich besprudeln. Der kleine Geysir kommt alle paar Minuten. Als wir unser Picknick auspacken, fährt ein Tour-Jeep vor. Er hält genau einen Meter neben uns an und entlädt ein paar armenische Touristen. Wir runzeln unsere Stirn, weil der Fahrer so nah neben uns parkiert hat, denn es hätte genug Platz, um das Fahrzeug weiter weg zu stellen. Der Fahrer ist jedoch ganz freundlich und offeriert uns einen Cognac sowie einen frisch gebrauten Kaffee. Dann machen wir uns auf den Rückweg zum WoMo, wieder durch Bäche und über bunte Blumenwiesen.

Verdientes Bier
In Jermuk trinken wir ein Bier. Dort spricht uns Walter an, ein Österreicher, der mit Yaghob, einem Iraner, unterwegs ist. Sie sind gerade aus dem Iran gekommen und haben das Land wegen des Krieges mit Israel und den USA so schnell als möglich verlassen. Yaghob bietet an, dass wir, wenn das Land wieder frei ist, bei ihm in Shiraz bleiben können. Wir tauschen unsere Kontaktdaten aus. Ich hoffe, dass wir eines Tages dieses Angebot annehmen können.

Bevor wir zum Stellplatz am See zurückfahren, wollen wir uns noch die Wasserfälle in Jermuk ansehen. Mit 64 Metern Höhe sind es offenbar die grössten Armeniens. Viele Leute kommen in die Schlucht zu den Fällen, wir erwischen gerade noch die letzten Sonnenstrahlen. Auf der Rückfahrt kontrollieren wir nochmals das Rotlicht. Und tatsächlich, ich hätte fünf Meter weiter hinten anhalten sollen. Dies ist weder mir noch Pia aufgefallen. So muss ich mich tatsächlich an der eigenen Nase nehmen. Bald sind wir wieder auf unserem wunderbaren Stellplatz am See. Heute haben wir über 20’000 Schritte gemacht.

Auch am Mittwoch ist schönes Wetter. Das nutzen wir, um mit der Bergbahn noch oben zu fahren. Die Fahrt hin und zurück kostet 3000 Dram für beide (6.30 sFr.). Wir schauen auf Jermuk runter und essen ein kleines Picknick. Pia läuft den Berg runter, ich nehme wieder die Bahn. Später werde ich sie unten wieder abholen.

In der Zwischenzeit schaue ich mir Jermuk genauer an. An der Brunnengalerie sprudelt aus fünf Brunnen warmes Wasser. Auch wenn es anders angeschrieben ist, ich habe den Verdacht, überall fliesst das gleiche Wasser heraus. Auf jeden Fall schmeckt es genau gleich und hat die selbe Temperatur. Dann laufe ich entlang des Sees durch den Wald. Immer wieder erscheinen grosse in den Fels gespitzte Köpfe. Ich komme an einem alten, gigantischen Hotelkomplex vorbei. Ein riesiger Lost Place. Erstaunlicherweise ist er nicht abgesperrt, ich kann locker darin herumkraxeln und Fotos machen. Ich nehme an, es ist ein weiteres Relikt aus sowjetischen Zeiten, wie die Köpfe in Stein wohl auch.

Als Pia wieder zurück ist, trinken wir ein Bier in einem schwimmenden Restaurant auf dem See. Die Jungs wollen pro Person 1000 Dram (ca. 2 Franken) plus das Bier. Das gönnen wir uns, denn schliesslich haben wir vor 28 Jahren zivil geheiratet. Als wir zahlen wollen, sollten wir das bar tun, obwohl Kleber der Kreditkarten aufhängen. Da ich mein weniges Bargeld noch behalten möchte, lasse ich die Jungs studieren, wie wir zu einer Lösung kommen. Schliesslich will einer mit mir zur Bank gehen. Alles zusammen kostet 4000 Dram. Ich strecke ihm Pias Bargeld (3000 Dram) entgegen. Damit sind alle zufrieden… 🤣😝😇 So fahren wir wohl zum letzten Mal zu unserem unglaublichen Stellplatz am See zurück.

Unterwegs in Vayk.
Wunderbarer Stellplatz in Jermuk.
«Heisse» Quellen in Jermuk.
Wassergalerie und schwimmendes Restaurant.

2 Antworten

  1. ambitiousb45faff00a

    Schöne Bilder, toller Bericht. Geniesst es weiterhin. Liebe Grüsse aus Kanada

  2. Marie-Thérèse Maissen

    Lieber Franz
    Liebe Pia

    Euer Stellplatz Jermuk am See ist wirklich sagenhaft und die Drohnenaufnahme gibt dem Ganzen das Bouquet.

    Die warmen Quellen ohne Touristen gönne ich euch.

    Schön, wenn Jugendliche so dankbar sind nach eurer Hilfe mit dem richtigen Werkzeug.

    Obwohl ihr so nahe beim Iran seid, wird der Weg dorthin noch Monate oder Jahre unmöglich sein für Touristen.

    Liebe Grüsse
    MT

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