Unsere ersten Schritte in Armenien

Veröffentlicht in: 2025, Reise | 5

Von Sonntag, 15. Juni bis Mittwoch, 18. Juni 2025

Das Gewitter begleitet uns bis zur armenischen Grenze. Gut kann Pia unterstehen, sie muss alleine durch den Zoll gehen. Ich stehe mit dem WoMo am georgischen Zoll unter Dach. Es hagelt, nachher werden die Zöllner mit Schaufeln das weisse Eis wegschieben. Die Kontrolle geht schnell, der Zöllner öffnet alle Schubladen im WoMo, schnuppert am Bergsalz und fragt, ob das Drogen seien. Ich bezahle auf der gleich nebenan liegenden Bank meine Parkbusse. Alles in Georgien ist erledigt, ich komme ziemlich schnell zum armenischen Zoll. Nun beginnt die Bürokratie zu wiehern und sich unnütz im Kreis zu drehen. Über 2,5 Stunden geht die Prozedur. Mein Pass und mein Fahrzeugausweis werden an verschiedenen Stellen immer wieder kopiert, am Schluss sicher über zehnmal. Nach dem ersten Zoll muss ich auf die Waage. Dort muss ich mich anstellen, bis ein LKW durch ist. Unser Magirus Iveco wiegt momentan 8,44 Tonnen. Dann kommt der X-Ray dran.

Von Pontius zu Pilatus
Es heisst, am Sonntag ist ein guter Tag, da keine LKWs über den Zoll fahren. Denkste! Nicht heute. Als ich zum Röntgen fahre, sehe ich eine riesige Kolonne LKWs warten, und warten, und warten. Etwa eine halbe Stunde lang geht im strömenden Regen gar nichts. Offenbar funktioniert die Maschine nicht oder der Beamte macht gerade Pause. Dann gehts endlich vorwärts. Nach zehn LKWs und Bussen bin ich endlich dran. Geht knappe fünf Minuten, dann bekomme ich das OK. Nun muss ich wieder an den Zoll, weiss aber nicht genau, wohin. Also stelle ich mich am Schalter an, wo alle mit ihren Duty-Free-Taschen anstehen. Dann frage ich einen vorbeikommenden Zöllner, wohin ich soll. Er nimmt meine Papiere und legt sie der einzigen arbeitenden Beamtin hin. Diese sagt, ich müsse zuerst die Einfuhrgebühr bei der Bank zahlen. Wie soll das gehen ohne Papiere? Sie kopiert meine Ausweise und ruft dem Bankbeamten, wie viel ich zahlen soll.

Mittlerweilen hat sich der Raum mit weiteren Passanten gut gefüllt. Nachdem ich die fast 30 Euro Einfuhrsteuer bezahlt habe, muss ich wieder an den Schalter. Endlich wird ein zweiter geöffnet. Dahinter sitzt der gleiche Beamte wie bei der ersten Zollstation. Nachdem ich endlich an der Reihe bin, weiss er natürlich nicht mehr, wo er auf meinem Ausweis welche Information bekommt. So kopiert er halt alles noch einige Male. Die Minuten verrinnen. Es dauert und dauert und dauert. Niemand weiss so genau, was der gute Mann am Computer eigentlich macht. Auch die russischen LKW-Fahrer, die ebenfalls anstehen, schütteln den Kopf. Mittlerweile ist auch ein französisches Paar direkt hinter mir, das weit über eine Stunde nach uns angekommen ist. Als ich endlich meine Papiere habe, muss ich noch die Haftpflichtversicherung abschliessen. Das Büro ist in einem anderen Haus. Zuerst bin ich am falschen Ort, dann finde ich die richtige Tür. Natürlich muss der Agent gerade jetzt die Türe schliessen und auf die Toilette. Als er kommt, fertigt er zuerst drei andere Chauffeure ab. Als er wieder jemand anderen drannehmen will, werde ich ziemlich energisch. So nimmt er sich mir halt notgedrungen an. Auch er versteht natürlich nur Bahnhof, wenn er den Fahrzeugausweis anschaut. Ich nehme an, er tippt einfach irgendetwas in seinen Computer. Da ich für 30 Tage löse, kostet mich der Spass nicht ganz 30 Franken. Hätte ich gewusst, dass ich auf dem Internet die Rubrik «Zollnummer» nur mit einem «X» hätte angeben können, dann hätte ich das bereits früher online erledigt. Na ja, man lernt nie aus!

Geschafft!
Endlich habe ich alle Papiere zusammen, Pia kann einsteigen und wir fahren zur letzten Schranke. Meine Autonummer wird kontrolliert, dann bekomme ich einen Daumen nach oben gezeigt. Armenien, wir kommen! Die Franzosen sind mittlerweile vor uns weggefahren!

Es regnet weiterhin auf fast 2000 Metern Höhe. Wir fahren auf der M2, dann biegen wir ab in Richtung Amasia. Kurz vor dem Dorf finden wir einen Stellplatz bei einer kleinen Kapelle direkt an der Strasse, die in der Nacht wohl nicht allzu stark befahren ist.

Ein Gesang nur für uns
Und so ist es auch, wir haben ruhig geschlafen, auch wenn der Regen ab und zu aufs Dach getrommelt hat. Wir fahren weiter in Richtung Gjumri. Unterwegs machen wir einen kurzen Abstecher zum Kloster Marmashen, das wunderbar an einem kleinen See gelegen ist. Es wurde im 10. Jahrhundert gebaut. Wir füllen am Brunnen unseren Wassertank mit Flaschen auf. Da kommt eine einheimische Führerin. Sie will uns die geschlossene Klosterkirche zeigen, sie hat einen Schlüssel. Ich mache ihr klar, dass wir noch kein armenisches Geld hätten. «Die Führung ist gratis», sagt sie. «Ihr könnt ja ein Souvenir kaufen, da nehme ich auch georgisches Geld.» Wir laufen mit ihr zur Klosterkirche. Kaum drinnen, singt sie ein Gebet für uns. Sie hat eine wunderbare Stimme. Die Enttäuschung folgt bei ihr auf dem Fuss. Natürlich wollen wir keines der angebotenen Souvenirs kaufen. Sie spiel ein bisschen die beleidigte Leberwurst.

Schlechtes Timing
Als wir weiterfahren, sind wir bald in Gjumri. Die Strasse in der Stadt ist katastrophal. Wir parkieren beim Central Park und laufen in die Stadt, was nicht weit ist. Gjumri ist voller riesiger Denkmäler, wohl viele noch aus sowjetischer Zeit. Wir laufen und laufen, kommen an der grossen Kirche vorbei, gehen durch den Markt, immer auf der Suche nach einem Laden, wo wir eine SIM-Karte kaufen können und einem ATM, um armenisches Geld herauszulassen. Geld haben wir bald einmal, aber einen Telefonanbieter finden wir nicht. So fragen wir uns herum, bis wir dann schliesslich doch in einem solchen Laden landen und eine SIM-Karte kaufen können. Unlimitiertes Internet (Viva) für 30 Tage kostet hier 6.40 Franken! Jetzt wollen wir etwas essen und werden bei einem Café fündig. Pia bekommt ihren Salat relativ schnell, meine Pommes frites kommen auch. Aber mein «pork French style» lässt auf sich warten. Ca. 20 Minuten später kommt es. Ich bestelle halt nochmals Pommes. Ich esse mein Fleisch ganz langsam, damit es noch für ein paar heisse Pommes reicht. Tut es nicht. Etwa eine halbe Stunde später kommen die frittierten Kartoffeln. Ich weise sie zurück. Jetzt ist es definitiv zu spät. Ich mache dem Kellner klar, dass es wahrscheinlich besser ist, das Fleisch zusammen mit den Pommes zu servieren…

Die Mutter Armeniens
Anschliessend laufen wir durch die Fussgängerzone, bei einer Bäckerei gibts einen Cappuccino und einen feinen Dessert als Trost. Bald finden wir unser WoMo wieder und fahren aus der Stadt, als wir das Schild «Black Castle» sehen. Da fahren wir noch hin, sehen von weitem die Mutter Armeniens, ein riesiges sowjetisches Denkmal auf einem Hügel. Wir parkieren und laufen da hoch, das schwarze Schloss, gleichzeitig auch eine Festung, ist auch gleich nebenan. Im Inneren der Festung ist eine Art Zirkusarena gebaut. Eine Vorstellung hier zu besuchen wäre sicher megacool. Wir aber müssen weiter und einen Stellplatz finden. Etwa 20 Kilometer ausserhalb von Gjumri wollen wir bei einer alten Karawanserei parkieren.

Filmaufnahmen
In Jrapi angekommen, spricht uns jemand an. Hier würden gleich Filmaufnahmen mit einer Drohne gemacht. Ob wir uns hinter die Kirche stellen würden. Um 18 Uhr sei der Spuk vorbei. Natürlich parkieren wir um. Es geschieht lange gar nichts. Ich laufe um 18.30 Uhr mal zum Filmset und spreche mit einem der Musiker. Sie machen Technomusik mit armenischen Einflüssen. «Es geht noch eine Stunde», wird mir gesagt. Also stellen wir das WoMo neben der Kirche gerade und richten uns für die Nacht ein. Die Aussicht auf den Grenzsee unter uns in die Türkei ist wunderbar. Leider weht ein starker Wind. Es ist schon crazy. Vor ein paar Tagen haben wir von der Türkei auf Armenien geblickt, nun ist es umgekehrt. Wären die politischen Verhältnisse hier nicht so kompliziert, wären wir innert Minuten von der Türkei her hier gewesen.

Viele Monumente
Wir fahren weiter entlang der türkischen Grenze. Viele alte, aber gut restaurierte Wachtürme stehen auf armenischer Seite. Ein «Souvenir» aus Zeiten, als der eiserne Vorhang hier hing. Hier war die Grenze zwischen Ost und West, zwischen Gut und Böse, je nach Ansicht. Als kleinen Abstecher besuchen die den heiligen Karapet Tempel, eine Kathedrale aus dem 10. Jahrhundert. Es ist eine Ruine mitten in der Einöde, wie so viele Bauten hier. Man sieht einige riesige Baukomplexe aus der sowjetischen Zeit, die praktisch alle am Verfallen sind und mitten irgendwo auf einem Feld stehen. Auch zahlreiche Monumente erinnern an diese Zeit.

Wir kaufen in einem der zahlreichen Dörfer entlang der Strasse ein, sehen einen akrobatischen Bäcker, wie er den Teig in den Ofen klebt und wieder herausnimmt. In Armavir finden wir ein Restaurant in einem Shopping Center. Für mich gibt es drei Koteletts vom Grill für 3000 Dram (6.30 CHF). Im grünen Park geniessen die Kinder beim Wasserspiel den Sommer. Auf dem Weg nach Jerewan sehen wir nicht viele Orte, wo man übernachten könnte. So fahren wir auf gut Glück zum archäologischen Museum Mezamor. Gleich beim Eingang stehen die Drachensteine. Offenbar entstanden diese verdächtig anrüchig aussehenden Steine in Armeniens Bergen auf über 3000 Metern Höhe. Mezamor ist die bedeutendste Ausgrabungsstätte Armeniens. Die Fundgegenstände datieren seit der Steinzeit. Wie besuchen das Museum, schöne Goldketten aus der Bronzezeit sind das Highlight.

Sowjetische Bewachung
Die Ausgrabungsstätte selbst ist nicht wirklich attraktiv. Da ein Gewitter aufzieht, gehen wir schnell zurück. Am Schalter fragen wir, ob wir auf dem Parkplatz übernachten dürften? Die Damen fragen herum. Schliesslich bekommen wir das Ok. Der ehemals sowjetische 65-jährige Wärter kommt später vorbei. Wir offerieren ihm einen Kaffee. Wir reden via App, da mein Russisch gleich null ist. Nachdem er wieder gegangen ist, kommt er zuerst mit einer Schildkröte, dann bringt er uns frische Aprikosen vorbei, ehe er das Eingangstor schliesst. Wir essen derweil frische, süsse Maulbeeren mit Rahm zum Dessert, die ich zuvor vom Baum gleich neben unserem Stellplatz gepflückt habe.

Als wir am Morgen aufstehen, ist schönstes, bereits warmes Wetter. Die Sicht auf den heute wolkenlosen Ararat ist wunderbar. Heute werden wir zum nahe gelegenen Jerewan fahren. Die Älteren unter uns erinnern sich bestimmt an «Fragen an Radio Eriwan» aus der Zeit des Kalten Krieges. Nun sind wir hier. Hätte ich mir früher auch nie vorgestellt. Aber bevor wir in die Hauptstadt Armeniens fahren, besuchen wir noch die wichtigste Kirche für die armenischen Christen: die Kathedrale von Etschmiadsin. Es soll die älteste christliche noch bestehende Kirche sein. Hier wohnt auch der Katholikos, der Patriarch der hiesigen Kirche.

Wunderbare Kathedrale
Die Anlage ist riesig. Aber bevor wir dorthin kommen, muss noch das Verkehrschaos in Etschmiadsin bewältigt werden. Eine der Hauptstrassen ist gesperrt, so lande ich plötzlich mitten im Marktquartier, selten eine gute Idee mit einem LKW. Ich parkiere gleich beim Markt und wir laufen zur Kathedrale. Offensichtlich ist das einer der Touristen-Hotspots. Busladungen von (chinesischen) Touristen werden ausgespuckt. Aber die Anlage ist wunderschön, eine wunderbare Parkanlage mit vielen Blumen und Bäumen. Die Kathedrale selbst ist erst seit kurzem nach jahrelanger Restauration wieder offen.

Parkplatz direkt neben nationalem Monument
Auf dem Rückweg zum WoMo laufen wir durch die vielen Marktstände und füllen so unsere Vorräte. Unter dem Dach des Marktes essen wir das Mittagessen. Dann geht es definitiv nach Jerewan. Die Fahrt dorthin ist nur noch 25 Kilometer. Der Verkehr durch die Stadt ist chaotisch. Von allen Seiten schiessen die Autos an uns vorbei. Ich muss höllisch aufpassen, bis wir oben auf dem Hügel bei der «Mother Armenia» ankommen. Dort finden wir einen guten Parkplatz zwischen den Bäumen. neben dem Lunapark und der Mutter Armeniens. Wir erkunden die Gegend, schauen auf die Stadt hinab und besuchen das Kriegsmuseum im Innern der grossen Statue. Viel russisch/armenische Kriegsgeschichte. Der Konflikt um Berg Karabach ist hier offenbar noch nicht verdaut. Der Eintritt ist frei, aber eine der anwesenden Frauen (Matronen) will ziemlich aggressiv eine «Donation». Ich habe kein Geld im Sack. So laufen wir durch den Victory Park, der seine sowjetische Vergangenheit definitiv nicht verbergen kann, bis wir schliesslich eine Terrasse finden, wo wir uns nach mehr als 10’000 Schritten ein Bier gönnen. Ein halber Liter armenisches Bier kostet hier knapp 1.50 Franken und ist wirklich gut trinkbar.

Zurück auf dem Parkplatz hat sich auch der Wärter eingefunden. Er will 500 Dram (1.20 Franken) für 24 Stunden. Ist ja ganz ok… 😜😁🤣 Morgen geht es dann in die Stadt. Es wird wohl wieder weit über 10’000 Schritte geben…

Gebet für uns im Marmashen Kloster.

5 Antworten

  1. Dolly und Werner

    Liebe Pia, Lieber Franz
    Wir haben gestern Euren Reisebricht in der Südostschweiz gelesen. Wir sind erst in den Anfängen unseres WoMo’s Traum und verfolgen daher intensiv Reisebrichte von verschiedenen Menschen. Wenn dann jemand aus unserer Heimat darunter ist, dann ist das natürlich noch viel interessanter. Wir wissen selber noch nicht, wohin es in Zukunft gehen soll. Da leben wir dann nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Wir werden sicher mal mit Skandinavien starten und dann für’s Überwintern eher in den Süden fahren. Warscheinlich Griechenland, obwohl es dort auch nicht mehr so einfach ist, seit man nicht mehr so freistehen kann. Mal schauen :-).
    Wo geht denn Eure Reise genau hin? Weiter ostwärts? Wir sind gespannt und freuen uns auf weiter spannende Berichte und eindrückliche Bilder.
    Liebe Grüsse Dlly und Werner Gisler (Homebase Schwanden GL)

  2. Marie-Thérèse Maissen

    Lieber Franz
    Liebe Pia

    Euer Beitrag war hochinteressant und erinnerte mich an manches, das ich 1985 erlebt hatte: Jerewan von oben, die Kathedrale von Etschmiadsin, das Kloster Marashen, die Jrapi-Kapelle.

    Schmunzeln musste ich beim Bericht am Zoll. Solches habe ich immer wieder erlebt. Wir brauchten schon 1966 bei manchen Übergängen in ein anderes Land manchmal fast einen ganzen Tag wie ihr.

    Beim Lesen muss man sich die nötige Zeit nehmen. Diese Zeit haben viele nicht mehr. Bei meinem Flyer in Altendorf vergangene Woche habe ich geschrieben, man solle auf http://www.seezone.ch, Seite 6 gehen. Die Leute mögen nicht mehr genau lesen. Sie überfliegen einen Text nur. Und deine Texte, lieber Franz, muss man genau lesen. Du gibst dir unsägliche Mühe und beschreibst wirklich alles sehr gut und treffend.

    Liebe Grüsse

    MT

  3. Edith Rutz

    DANKE für eure ausführlichen, spannenden und höchst informativen Berichte! Genial!
    Ja, ihr müsst euch wirklich in Geduld üben …… doch ich denke, ihr werdet dafür belohnt mit eindrücklichen und unvergesslichen Erlebnissen!
    Herzlich
    Edith

  4. Anonym

    sehr interessante Reise mit originellem Kommentar!

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