Wiege der Religionen und der Zivilisation

Veröffentlicht in: 2025, Reise | 2

Von Montag, 19.Mai bis Mittwoch, 21. Mai 2025

Wir haben nach der Hochzeit gestern eine ruhige Nacht neben dem Euphrat verbracht. Der Fluss liegt am Morgen ganz ruhig da. Da wir früh in Şanlıurfa sein wollen, fahren wir zeitig los. Nach knapp 100 Kilometern kommen wir in Şanlıurfa an, doch der ausgesuchte Parkplatz beim Museum ist geschlossen, da der Platz für das Kulturfestival vorbereitet wird. Der Wärter schickt uns auf den Parkplatz des Einkaufscenters Piazza gleich gegenüber. Wir laufen in die Stadt und kommen gleich beim Karpfenteich an. Die heiligen Karpfen werden von den vielen Touristen wacker gefüttert. Um unser Karma günstig zu beeinflussen, lassen wir auch etwas Futter in den Teich fallen.

Abrahams Höhle
Dann geht es durch den Basar, der ungefähr gleich wie derjenige in Gaziantep ist. Läuft man etwas weiter, kommt man in sehr ärmliche Quartiere, wo die Ware nur noch in Trümmerräumen herumliegt. Bei den Schneidern werden wir zu einem Çay eingeladen. Am Mittag gibt es einen Dürüm aus Leber (Çiğer). Neben der eindrucksvollen Moschee im wunderbar grünen Park ist die Geburtshöhle von Abraham, den die Moslems als Propheten verehren. Eine der wohl wichtigsten biblischen Stätten. Der Eingang ist streng nach Geschlecht geteilt. Beeindruckend ist das öffentliche WC aus Marmor und goldeingefassten Spiegeln. Wirklich sehr sauber. Das würde man hier mitten in der anatolischen Steppe in einer Millionenstadt nicht erwarten. Durch enge Gassen geht es durch die Altstadt, die nach dem Erdbeben wieder aufgebaut worden ist. Man wähnt sich mitten in einer arabischen Oase.

Auch heute ist es ziemlich heiss. So schleppen wir uns von Tee zu Tee, bis wir dann doch noch zur Burg hochlaufen. Diese ist seit 2018 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Die Aussicht auf die Stadt ist aber cool. So warten wir bis zur Blauen Stunde und hoffen, die Burg wird schön beleuchtet. Dem ist nicht so. Dafür ist die Moschee und der Karpfenteich mit den Lichtern sehr dekorativ. Mit 20’000 gemachten Schritten geht es müde zum Parkplatz zurück. Wir hoffen auf eine einigermassen ruhige Nacht mitten in der Stadt.

Fazit vom heutigen Tag: Şanlıurfa ist eine Reise wert. Es ist quasi eine Oase mitten in der trockenen, anatolischen Steppe. Auf der anderen Seite merkt man den Einfluss der Kurden und Syrer hier. Da es viele (türkische) Touristen hat, ist der Charme etwas abhanden gekommen. Es geht vor allem ums Geld abluchsen, an einigen Orten ziemlich aggressiv (nicht im Basar). So wird zum Beispiel immer wieder versucht, bei der Rechnung im Restaurant Wasser oder ein Bakschisch unterzujubeln. Das ist uns bisher in der Türkei nicht passiert.

12’000 Jahre alt
Wir haben auf dem Parkplatz des Piazza Einkaufcenters gut geschlafen. Ich nehme gleich eine Dusche bei der Bewässerungsanlage, es ist schon schön warm hier. Wir fahren ein paar Kilometer nach Göbeklitepe. Alle Türken haben davon geschwärmt. «Da müsst ihr unbedingt hinfahren!» Auf einem Hügel liegt die Ausgrabungsstätte. 12’000 Jahre alt soll der Kultort (die erste bekannte Tempelanlage der Welt) sein. Die Steinsäulen sind bis zu acht Meter hoch und mit Tierreliefs geschmückt. Hier also soll unsere Zivilisation gestartet haben, mitten in Mesopotamien. Das Besucherzentrum informiert multimedial über die Geschichte, dann geht es per Shuttlebus an den historischen Ort. Viele Touristen sind hier. Bei uns will sich der magische Moment nicht wirklich einstellen. Warum die Ausgrabungen, die offensichtlich noch nicht fertig sind, gestoppt und nicht mehr weitergeführt werden, das weiss niemand. Die Anlage hat schon Potenzial. Es scheint aber, dass die 21 Euro Eintritt für Ausländer (2.50 für Türken) dem Kulturministerium genügen.

Gäste in der Steppe
So fahren wir bald weiter durch die mesopotamische Steppe, die einmal sehr trocken, dann wieder bewässert grün ist. 60 km vor Mardin finden wir einen Stellplatz an einem Bach, der noch etwas Wasser führt. Es geht nicht lange, da kommt der Schäfer vorbei. Auch ein 17-Jähriger, der sich als Sohn ausgibt, es aber nicht ist. Wir sind gute Gastwirte und offerieren Schokolade, Pfirsichdrink und Glacé. Der Schäfer zeigt uns noch eine Wasserstelle, wo wir Trinkwasser holen können, der Junge entwickelt grosses Sitzleder und will am Schluss noch eine Schokolade für seinen kleinen Bruder. Na ja… Viele Frösche quaken am Abend, uns plagen Mücken, die irgendwie ins Innere unseres WoMos gekommen sind.

Touristenstadt Mardin
Schon früh am Morgen sind die Schafherden unterwegs, auch Kühe grasen im Grün des Baches. Bald sind drei Hirten hier. Hat sich wohl herumgesprochen, dass hier ein Schweizer Gasthaus steht… 😂 Wir bleiben bei einem «Merhaba» oder einem «Salam». Bald ziehen alle weiter. Schon um 9 Uhr ist es 30° warm. Wir fahren ab in Richtung Mardin, welches wir nach etwa einer Stunde gut geschüttelt erreichen. Die D400 ist schnurgerade. Da praktisch nur Lastwagen auf dieser Strecke verkehren, ist die Strasse in einem schrecklichen Zustand. Auf dem Stellplatz treffen wir die ersten Reisenden, welchen wir via Instagram folgen (Ines und Hilmar). Da sogar eine Waschmaschine hier steht, waschen wir sogleich. Nach nur einer Stunde an der Leine ist alles tipp-topp trocken. Es ist so warm hier.

Am frühen Abend laufen wir die vielen Treppenstufen hinauf zur Altstadt, die unseren ersten Eindruck korrigiert. Zwar hat es viele (türkische) Touristen, aber in den Gässchen ist es heimelig. Die Aussicht auf die Ebene ist gewaltig. So suchen wir eine Terrasse, um einen Tee (Çay) zu trinken. Wir haben zu Mittag extra wenig gegessen, so gönnen wir uns eine Terrasse mit feinem Essen. Dafür laufen wir ans Ende der Altstadt. In der Altstadt selbst hat es zwar viele Restaurants, uns ist es aber zu touristisch und zu laut dort. Wir werden mit dem Marde Restaurant fündig, sind die Einzigen, die sich hierher verirren. Der Salat mit Erdbeeren und die Meze sind erstklassig, der Preis geht für Mardin noch so… 😝🤪 In der Blauen Stunde ist die Stimmung einfach wunderbar, dann geht es die vielen steilen Treppenstufen wieder zurück zum WoMo.

Şanlıurfa.
Göbeklitepe.
In der Steppe.
Spontaner Tanz einer Jugendgruppe in Mardin.

2 Antworten

  1. Marie-Thérèse Maissen

    Danke für euren Bericht! Ich staune immer über eure tollen Bilder und informativen Videos.

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